Dezember 14 / Januar 15 "Einen faden Entwurf farbig gestalten"

      Dezember 14 / Januar 15 "Einen faden Entwurf farbig gestalten"

      Einen faden Entwurf farbig gestalten:

      In „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“, beschreibt James N. Frey unter dem Titel „Die Gebote dynamischer Prosa“, wie man einen ersten, relativ langweiligen Entwurf zu einer interessanten Szene umarbeitet.

      In dem Entwurf, den er verwendet, geht es im wesentlichen darum, dass eine Frau, Mrs. Appelgate, am Bahnhof eintrifft, ihr Zug ist jedoch schon weg. Sie geht auf und ab, denkt nach, was zu tun ist, fragt einen Taxifahrer, ob es möglich sei, den Zug am nächsten Bahnhof einzuholen. Dieser verneint. Sie geht weiter auf und ab, denkt nach und ein Schaffner sagt ihr, der nächste Zug gehe erst in zwei Stunden. So viel Zeit hat sie nicht. Wieder geht sie auf und ab, diesmal denkt sie darüber nach, ob sie vielleicht ein Flugzeug nehmen könne.

      Ja, das ist grottenlangweilig. Frey gelingt es dann aber, den Text zu beleben, ohne größere inhaltliche Änderungen vorzunehmen. Hierzu nennt er drei Gebote:

      1.) Sei spezifisch.
      Er fordert den Autor auf, spezifische Details zu nennen.
      Aus „Als Mrs. Appelgate am Bahnhof eintraf, war der Zug schon weg“ wird : „Als Beatrice Applegate am Reno Amtrak Terminal eintraf, musste sie feststellen, dass der 5.15 Zug nach San Francisco gerade am westlichen Horizont verschwand.“
      Aus dem Taxifahrer wird „Der Fahrer, ein müder, dunkelhäutiger Mexikaner, las, an einen der Kotflügel gelehnt, ein Rennprogramm. Er roch nach Marihuana und verbreitet eine Aura von Gefahr.“

      2.) Sprich alle Sinne an.
      Hören, sehen, riechen, schmecken, fühlen.
      Der Wüstenwind strich heiß über Beatrice Applegates Wangen.
      Ihre spitzen Absätze erzeugten ein rhythmisches Klopfen.
      Der Taxifahrer roch nach Marihuana.

      3.) Sei ein Dichter.
      Rede- und Stilfiguren ( z.B. Übertreibungen, Metaphern, Vergleiche, Personifizierung von Gegenständen etc.) sollen wirkungsvoll eingesetzt werden, ohne zu viel des Guten zu tun.
      Bsp.: „Eine verstaubte Straßenkarte an der Wand gab ihr die Antwort. “

      Jetzt seid ihr dran.

      Geht bei eurem Fingerübungstext von folgendem Entwurf aus:

      "Herr Schneider befand sich anlässlich einer Geschäftsreise in einer fremden Stadt. Plötzlich fiel ihm ein, dass übermorgen Weihnachten sei und er noch ein Geschenk für seine Frau benötigte. Planlos ging er durch die Fußgängerzone, als sein Blick plötzlich auf ein Dessous-Geschäft fiel. Ob er hier das Richtige finden würde, fragte er sich. Er ging hinein, schilderte der Verkäuferin sein Anliegen und ließ sich verschiedene Modelle zeigen. Schließlich stieß er auf eines, das ihm gefiel, war sich jedoch nicht sicher, ob es auch seiner Frau gefallen würde. Die Verkäuferin wies darauf hin, dass in 5 Minuten Ladenschluss sei und fragte nach der Größe. Bei letzterer Frage musste Herr Schneider passen und versuchte es mit einer Umschreibung." (Ob Herr Schneider die Ware kauft oder wieder geht, bleibt dabei euch selbst überlassen.)

      Und nun Butter bei die Fische bzw. Farbe an die blassen Gestalten:

      - Werdet spezifisch.
      - Sprecht alle Sinne an.
      - Werdet zum Dichter.

      Macht daraus eine farbige, plastische, lebendige Szene, in der man sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen kann und in denen die Protagonisten ein Gesicht und einen Charakter haben.

      Eine Maximallänge eures Textes wollen wir bei dieser Übung nicht vorgeben. Der Ausgangstext besteht aus 8 Sätzen. Da diesmal jedoch "farbiges Material" hinzugefügt werden soll, wird eure Überarbeitung wahrscheinlich erheblich länger ausfallen. Ihr könnt also soviel schreiben wie ihr meint dass nötig ist, um aus der obigen "Geschichte" etwas Lesenswertes zu machen.